Trumps kämpferische Geste Sieg in der Hand

Trump nach dem Attentat auf einer Veranstaltung in Pennsylvania: Der neue Kennedy, nur in unverwundbar?
Foto:Anna Moneymaker / Getty Images
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Donald Trump mag einer Partei angehören, aber dass er sich selbst für das größere Phänomen hält, ist bekannt. Trump ist seine eigene Bewegung. Und damit auf Erkennungszeichen angewiesen. Jetzt hat er seines gefunden.
Nachdem in Pennsylvania auf ihn geschossen und er am Ohr getroffen wurde, versuchen Sicherheitsleute ihn von der Bühne zu bringen. Da reckt Trump seinen Oberkörper aus dem Knäuel von Leibwächtern heraus und hebt den rechten Arm, die Hand zur Faust geballt . Mehrmals streckt er diese dem Publikum und den Kameras entgegen. Das Blut war noch nicht aus seinem Gesicht gewischt, da war vielen Beobachtern des Geschehens bereits klar, das ist ein historisches Bild, das sie so schnell nicht wieder vergessen werden.
Denn die Geste ist es, die neben dem Mordversuch selbst für den meisten Gesprächsstoff sorgt. Dabei ist die Faust nicht neu in Trumps Gestenkonvolut. Schon früher setzte er sie gezielt ein – auch, als er noch kein Politiker, sondern ausschließlich schillernd auftretender Geschäftsmann war. Er nutzte die geballte Faust etwa, so kann man es in der »New York Times« nachlesen, wenn er sich über die Anwohner seiner Immobilien ärgerte. Doch nun wurde aus dieser Geste seine Geste.
Wird er im amerikanischen Gedächtnis sogar größer werden als John F. Kennedy, als der Präsident, der einen ähnlichen Angriff nicht überlebte? Kennedy wurde zum Märtyrer der USA, zum Nationalheiligen. Trump wird sich als etwas noch Besseres vermarkten. Er, so wird wohl sein Narrativ lauten, hat es immerhin geschafft zu überleben. Am Samstag zeigte er sich als jemand, der sich trotz Gefahr für Leib und Leben nicht wegduckt. Jeder sollte diese Faust sehen, die Faust eines Unverwundbaren.
Die geballte Faust, so sagen es Kulturwissenschaftler, wirkt kämpferisch und kraftvoll. Zugleich fordert sie zur Solidarität auf: Kämpft mit mir, sagt die Geste. So wurde sie zu einem starken Zeichen, das man früher eher mit linken Bewegungen verband.
Unter anderem Revolutions- und Arbeiterbewegungen haben die Faust eingesetzt, kommunistische Gruppierungen und ebenso schwarze Bürgerrechtler. Die Olympischen Spiele von 1968 in Mexiko gingen auch deshalb in die Geschichte ein, weil die beiden afroamerikanischen Leichtathleten Tommie Smith und John Carlos bei einer Siegerehrung die Fäuste hoben und so gegen Rassismus protestierten. In den USA spricht man sogar von einer »Black-Power-Faust«, zitiert wurde sie dann von Black-Lives-Matter-Anhängern.

Protest nach dem Tod von George Floyd im Jahr 2020: Wem gehört die Faust?
Foto:Caroline Brehman / CQ-Roll Call, Inc / Getty Images
Und so ist es natürlich doch zynisch, dass auch jemand wie Trump – reich, weiß, minderheitenfeindlich – auf das Symbol zurückgreift und es letztlich den Bewegungen stiehlt.

Joe Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung am 12. Juli: Nicht geballt, eher gekniffen
Foto: Mandel Ngan / AFPNatürlich ist Trump nicht der einzige Politiker, der um die symbolische Kraft der Faust weiß. Auch Joe Biden zeigt sie gern. Auf dem Nato-Gipfel vor wenigen Tagen reagierte er mit ihr, als ihm die Presse unangenehme Fragen stellte. Aber Biden hob den Unterarm dabei nur etwas an, die Faust wirke nicht geballt, eher zusammengekniffen und kraftlos. Es war beinahe mitleiderregend.
Der Kampf der alten Männer um die Fäuste (und womöglich auch der Wahlkampf) hat nun einen Sieger. Die Faust ist Trumps Markenzeichen. Wer immer es benutzt, wird damit an ihn erinnern, unabsichtlich oder ganz bewusst. Hauptsache, es wird unter einem erneuten Präsidenten Trump kein Trump-Gruß daraus.