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Risiko Atomkraft Die teuerste Haftpflichtpolice der Welt

Finanzmathematiker haben erstmals errechnet, wie teuer eine Haftpflichtpolice für ein Atomkraftwerk wäre - 72 Milliarden Euro jährlich. Praktisch sind die Meiler also nicht zu versichern. Es sei denn, der Strompreis kletterte auf das Zwanzigfache.
Nicht versicherbar: Seit Inbetriebnahme des AKW Brokdorf im Jahr 1986 wurden rund 200 Störfälle gemeldet

Nicht versicherbar: Seit Inbetriebnahme des AKW Brokdorf im Jahr 1986 wurden rund 200 Störfälle gemeldet

Foto: DB

Berlin - Eine komplette Versicherung der Risiken der Atomkraft ließe die Strompreise einer Studie zufolge explodieren. Nach Berechnungen von Versicherungsmathematikern könnten die zu zahlenden Prämien den Strompreis auf mehr als das Vierzigfache steigen lassen.

"Die Kernenergie ist aber letztlich nicht versicherbar", sagte der Versicherungsexperte Markus Rosenbaum am Mittwoch in Berlin. Wollte eine Versicherung für ein AKW ausreichende Prämien innerhalb von 50 Jahren, beispielsweise der Restlaufzeit eines Meilers, aufbauen, müsse sie pro Jahr 72 Milliarden Euro für die Haftpflicht verlangen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hatte die "Versicherungsforen Leipzig" noch vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima mit den Berechnungen beauftragt. "Die wahren Kosten der Atomkraft werden ausgeblendet und im Falle eines schweren Unfalls auf die Allgemeinheit abgewälzt", sagte BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann.

Derzeit ist die Haftpflicht nach Angaben der "Deutschen Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft" auf knapp 250 Millionen Euro begrenzt. Die Versicherungsprämien für die 17 deutschen AKW lägen dafür jährlich unter 20 Millionen Euro. Weitere bis zu 2,25 Milliarden Euro stellten die vier AKW-Betreiber bei einem Unfall im Rahmen einer gegenseitigen Absicherung zur Verfügung. Für Schäden darüber hinaus muss der Verursacher mit eigenem Kapital komplett haften.

Maximalschaden je AKW könnte bis zu sechs Billionen Euro betragen

Klusmann wies aber daraufhin, dass der japanische Betreiber Tepco inzwischen um Staatshilfe gebeten hat, da er die Lasten nicht finanzieren könne. Letztlich müssten die Kosten dann also von allen Bürgern getragen werden. Analysten schätzen die Entschädigungszahlungen für das Reaktorunglück inzwischen auf 86 Milliarden Euro - exklusive mögliche Spätfolgen.

Die "Versicherungsforen Leipzig", ein Dienstleister für die Versicherungskonzerne, berechnete den Maximalschaden eines Unfalls der höchsten Kategorie auf mehr als sechs Billionen Euro. Sollten dafür beispielsweise Prämien für 17 noch zehn Jahre laufende AKW aufgebaut werden, würde das rechnerisch den Strompreis auf fast vier Euro pro Kilowattstunde treiben. Derzeit kostet sie rund 20 Cent.

Die Studie belege erstmals die jahrelange Marktverzerrung zugunsten der Kernenergie und zulasten der Konkurrenz, sagte Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saarbrücken. "Die Studie zeigt zudem, dass bei einer ordnungspolitisch angebrachten volkswirtschaftlichen Betrachtung die Kernenergie nicht konkurrenzfähig ist."

Rei/reuters/dapd

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